Im September 1963 erreichte mich ein Brief aus Salem, Va. USA Absender war Jay Stemple ein damals 82jähriger engagierter Ahnenforscher, der wie er mitteilte, die Geschichte der großen amerikanischen Stemple-Family schrieb.
Wie ich heute weiß ist Jay Stemple mit seinen Forschungen bis zu einem Godfrey also Gottfried Stempel zurückgelangt, der etwa als zehnjähriger Junge, natürlich mit Eltern, in die spätere USA eingewandert war.
Kinder unter 16 Jahren wurden wie die Frauen in den Schiffs- und Eidlisten nicht geführt (Die Männer mußten seit 1729 Eide ablegen. Den Treueeid, "oath of allegiance" auf das neue Land, sowie mit dem "oath of abjuration" der alten Obrigkeit abschwören). Die Schiffs- und Eidlisten wurden zunächst von Daniel Rupp und später von Strassburger und Hinke veröffentlicht. Sie sind der Endpunkt an dem der Amerikaner bei der Forschung nach seinen Vorfahren angelangen muß. Jetzt schließt sich scheinbar der Kreis. Jay Stemple suchte die Herkunft des Nikolas Stempel, der mit seinem Sohn Jakob und dessen Familie nach Amerika kam. Dabei unterstellte er, daß Godfrey/Gottfried ein Sohn von Jakob war und in den Schiffslisten nicht geführt wurde, da nur etwa zehn Jahre alt. "Nickolas", also Nickel I konnte ich damals bestätigen. Aber Gottfried war mir nicht geläufig. Von der Auswanderung wußte ich noch nichts.
Lange Jahre konnte ich meine Nachforschungen immer nur für einige Stunden betreiben und es ging nicht mehr vorwärts. Der Kontakt zu Jay riß ab. Jay starb 90 jährig wie ich später von seinem Sohn Norman erfuhr.
Als ich 1986 auf die Auswanderung von Nickel II und Jakob stieß glaubte auch ich zunächst das "connecting link" gefunden zu haben. Mein Brief an den Nachfolger von Jay wurde von Jay Stemples Ehefrau Mae an deren gemeinsamen Sohn weitergegeben: Norman Stemple antwortete auch prompt.
Nun beginnt einer der sehr seltenen Glücksfälle in der Genealogieforschung. Norman Stempel gab eine Kopie weiter und im April 1987 erreichte mich ein Brief dessen Absender Dipl. Ing. R. Gerard DuBois in Arlington Va. USA war. Das Rätsel löste sich bereits in der ersten Briefzeile:
My wife's maiden name was Margaret Patricia Stemple.
Nach diesem Schreiben entwickelte sich sehr rasch ein äußerst lebhafter Datenaustausch und ein so gutes Verhältnis, das mit einem persönlichen Kennenlernen in der Pfalz seinen Anfang nahm und mit mehreren Treffen gepflegt wurde.
Pat und Gerard DuBois machten mich im ersten Brief bereits darauf aufmerksam, daß sie keinen Nachweis hätten, daß Godfrey/Gottfried ein Sohn von Johann Jakob sei. Auch beim ersten Treffen klang die Skepsis wegen Godfrey/Gottfried wieder an. Ich versprach, ihn zu finden, wenn er in den Akten vorhanden ist!
1987 hatten Pat und Gerard DuBois ihren
A Stemple Family Report 1987
veröffentlicht. Auf den Besitz der Copy Nr. 6, die mir übereignet wurde bin ich sehr stolz. Es handelt sich um eine Arbeit von über 50 Seiten mit Tafeln und Dokumenten. An der Deszendenzlinie zwischen Johann Jakob und Godfrey, die zusätzlich unterbrochen gezeichnet wurde, ist ein großes Fragezeichen eingetragen. Mir kam wieder ein Satz von Gerard aus seinem ersten Brief in das Gedächtnis:
"Could it be that Godfrey is NOT the son of Johann Jakob but of a different Stemple family?"
Im Archiv der Arbeitsgemeinschaft (Arge) "Pfälzisch - Rheinische Familienkunde" stieß ich im Band 11, Heft 10, von 1989 auf eine Veröffentlichung von Albert Cappel "Die Familien von (Worms-) Pfeddersheim im Katastrophenjahr 1689. Und jetzt schließt sich der Kreis wirklich.
Stempel Gottfried, Metzger und Ratsherr (Ratsherr von 1697-1741) Bürgerannahme 1685, gebürtig in Wachenheim an der Haardt. † in Pfeddersheim am 30.11.1741 93jährig. 1689/93 des Kriegs wegen nach Frankfurt geflüchtet. 1691 in Pfeddersheim. Verheiratet in I. Ehe mit Anna Katharina Brill, Tochter des Georg Brill aus Lambsheim, Stieftochter des Florian Beringer, Ochsenwirt zu Pfeddersheim. Verheiratet in II. Ehe am 26.4.1707 mit Maria Elisabeth, Witwe des Mathias Gilbert von Niederin – gelheim († in Pfeddersheim 26.8.1708). Verheiratet in III. Ehe mit Anna Dorothea Wilckens, Witwe des Johann Henrich Besen, Weißgerber von Weinheim (sie verstarb 10.7.1741 81 Jahre alt.
In Heinrich Herzog, "Kaiserslautern 1651 - 1681" ist vermerkt Joh. Gottfried Stempfly v. Wachenheim, hat in Mannheim das Metzgerhandwerk erlernt; ist am 26.2.1678 bei Georg Seyler(Kaiserslautern) beschäftigt.
Die Akten von Pfeddersheim befinden sich im Stadtarchiv in Worms. Das Archiv ist im Raschihaus in der oberen Judengasse etwas versteckt in unmittelbarer Nachbarschaft der Synagoge untergebracht.
Die Bürgerannahme von Gottfried ist in den Ratsprotokollen am 3. April 1685 vermerkt. Er taucht als langjähriger Ratsherr häufig in den Protokollen auf:
Neuer Bürger | Gottfried Stempfel Bürtig |
zu Wachenheim an der Hart | |
hat seinen geburts Brief Uber | |
liefert worauf Ehr | |
zum Bürger angenohmen | |
ohne daß gewönlichen Bürger | |
Eydt geschworen. |
Die Kirchenbücher von Pfeddersheim liegen im Zentralarchiv der Evangelischen Landeskirche von Hessen-Nassau in Darmstadt in der Aha-Str. 5a.
Aus diesen Kirchenbüchern stammen die folgenden Daten. Gottfried Stempfel, wie er lange geschrieben wurde, hatte mit Anna Katharina fünf Kinder:
Geboren | 09.04.1692 | Johann Philip |
20.02.1695 | Anna Barbara | |
03.11.1697 | Johann Peter | |
13.06.1699 | Johann Jakob | |
29.04.1703 | Anna Catharina | |
Im Sterberegister finden sich: | ||
24.10.1704 | Johann Gottfried Stempels Töchterlein 1 Jahr alt (Anna Catharina) |
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28.01.1729 | Johann Jakob Stempel ledigen Standes |
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Das Copulationsregister vermerkt unter dem | ||
31.01.1719 | Johann Peter Stempel, H. Gottfried Stempels des Raths allhier ehel.Sohn m.Jungfer Anna Barbara, weyl. Paulus Butterfahs dahier gewesener Bürger ehel. hinterlassener Toch- ter. |
Aus dieser Ehe gehen insgesamt sechs nachweisbare Kinder hervor. Fünf Mädchen und ein Junge. Dieser wurde Johann Gottfried genannt:
Geboren | 20.11.1722 | Maria Dorothea |
07.11.1723 | Anna Barbara | |
22.06.1724 | Maria Ottilia | |
20.01.1727 | Johann Gottfried Zeuge: H.Joh:Gottfried Stempel des Raths als Vatter des Vatters |
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16.09.1729 | Anna Gottlieb † 24.01.1734 |
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12.10.1734 | Anna Gottlieb |
Mit Ausnahme von "Johann Gottfried des Raths" Todesdatums und das seiner III. Ehefrau finden sich nach der Geburt von Anna Gottlieb keine Einträge über Stempel mehr. Leider geben auch die Akten in Worms keine weiteren Hinweise auf eine Auswanderung. Verkaufsakten aus den Jahren um 1737 sind nicht vorhanden.
In den Ratsprotokollen ist unter dem 29. Februar 1736 festgehalten:
Peter
Stempel undt Oberschilh betr. |
Weilen Peter Stempel der dahier gewesenen inquisitions Commission in abwesenheit des Hern Oberschultheiß selbsten ad protoc: gegeben sofort eingestanden, daß Er die gestohlenen früchten auß der Herr Gottf Zehender Scheune getragen. Solle also an deßen stell als Wein schröder ein andrer Denominiert undt angestellt werden. |
Weinschröter nach Grimm "Verlader von Weinfässern."
Vor Jahren war mir ein Johann Peter Stembell in den Schiffslisten bei Strassburger und Hinke aufgefallen. Ich hatte aber keinen Hinweis auf einen Zusammenhang. Das Schiff "Samuel" das am 30. August 1737 in Amerika anlegte führt in der Schiffsliste einen John Peter Stempel. John ist wohl die Anglisierung des Johann durch den Schreiber des Schiffs. Auf den eigenhändig unterschriebenen Listen schreibt sich Johann Peter Stembell in dieser Form ein.
Die Ergebnisse sind nunmehr so puzzleartig passend, daß eine allein zufällige Übereinstimmung mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht mehr vorliegen kann.
Wie mir Patricia und Gerard DuBois mitteilten hat sich bei den Nachkommen etwa seit 1800 die schreibweise "Stemple" durchgesetzt.
Die Vermutung liegt nahe, daß Amerikaner mit der heutigen, also unveränderten Schreibweise "Stempel", Nachkommen der Auswanderer des 19. Jahrhunderts sind (aus der Lambsheimer - Linie). Meine diesbezüglichen Briefe an Namensträger in USA blieben unbeantwortet. In einem Falle konnte mir ein William Stempel über seine Vorfahren nichts näheres sagen. 1987 blieb eine Anfrage bei Robert Stempel, zuletzt Generalmanager bei General Motors in Deutschland, unbeantwortet.
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